Update-Service ARBEITSVERTRAG 2/2013

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Wichtige Neuheiten aus der zweiten Lieferung (2/2013)


Überstunden

Die Formulierung im Anstellungsreglement, wonach "nicht unübliche Mehrarbeit im zumutbaren Rahmen im Lohn inbegriffen" sei, vermochte unter Berücksichtigung der konkreten Umstände den Lohnanspruch für Mehrarbeit bis und mit der 60. Überzeitstunde (vgl. Art. 13 Abs. 1 ArG) zu beseitigen. Der Fall, den das Obergericht des Kantons Zürich zu beurteilen hatte, betraf den Leiter einer Betriebseinheit in der Werbe- und Kommunikationsbranche mit vier bis fünf ihm unterstellten Angestellten, direkter Unterstellung unter den CEO und guter Entlöhnung (rund Fr. 240'000.--). Das Obergericht erwog weiter, dass dann, wenn die Parteien sogar die geleistete Überzeit als "im Lohn inbegriffen" erklärt haben, es sich von selbst verstehe, dass sie damit auch die Auszahlung von Überstunden soweit als möglich ausgeschlossen hätten (Art. 321c N5).

Provisionen

Das Bundesgericht hat sich - soweit ersichtlich erstmals - mit einem Urteil vom 2. Mai 2013 der in der Lehre vertretenen Auffassung angeschlossen, dass bei ausschliesslicher oder vorwiegender Entlöhnung auf Provisionsbasis das Erfordernis eines angemessenen Entgelts, wie es für Handelsreisende vorgeschrieben ist (Art. 349a Abs. 2 OR), analog auch für alle anderen Arbeitnehmenden gilt. Der Entscheid ist von praktischer Bedeutung, da in der Praxis Entschädigungsformen, die ganz oder zumindest überwiegend auf Provisionen oder Umsatzbeteiligung beruhen, durchaus verbreitet sind. In all diesen Fällen ist nach dem neuen Entscheid davon auszugehen, dass der Arbeitgeber zwingend ein angemessenes Entgelt schuldet (Art. 322b N5).

Lohnfortzahlung bei aufgeschobener Mutterschaftsentschädigung

In einem sorgfältig begründeten Entscheid vom 24. Januar 2013 hat sich das Regionalgericht Bern-Mittelland der in der Printfassung vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen, wonach im Falle des Aufschubs der Mutterschaftsentschädigung (vgl. Art. 16c Abs. 2 EOG) für die Aufschubsdauer ein Lohnfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber gestützt auf Art. 324a OR besteht. Dieser Berner Entscheid fügt sich in eine Reihe neuerer Publikationen zum Thema ein, sodass heute von einer gefestigten Rechtsauffassung gesprochen werden kann.

Persönlichkeitsschutz / Diskriminierung aus religiösen Gründen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich in einem auch aus schweizerischer Sicht bemerkenswerten Entscheid vom 15. Januar 2013 zu Zulässigkeit und Grenzen religiöser Bekenntnisse am Arbeitsplatz geäussert, so zum Tragen einer Halskette mit einem sichtbaren Kreuz durch eine Angestellte der British Airways und eine Geriatriepflegerin. Während der EGMR im Trageverbot gegenüber der im Check-in tätigen Mitarbeiterin eine Verletzung von Art. 9 EMRK sah, wurde das Verbot des Kettentragens (mit oder ohne Kreuz) gegenüber der Pflegerin als EMRK-konform taxiert (Art. 328 N14).

Datenschutz / Lieferung von Mitarbeiterdaten ins Ausland

Im Vorfeld der politisch heftig diskutierten Frage der Datenlieferung von Schweizer Banken an die USA ("Lex USA") erging ein beachtenswertes Urteil des Bundesstrafgerichts vom 25. April 2013: Mit diesem Entscheid wurde die Beschwerde eines ehemaligen Mitarbeiters der Bank HSBC abgewiesen, dessen Name von der Arbeitgeberin gestützt auf eine Bewilligung des Bundesrats im Sinne von Art. 271 Ziff. 1 StGB den US-Behörden bekannt gegeben worden war. Die Bundesanwaltschaft habe zu Recht die Anzeige des Mitarbeiters nicht an die Hand genommen, da weder eine Nötigung noch eine Verletzung des Bankgeheimnisses noch eine Datenschutzverletzung vorliege. Demgegenüber wurde am 25. Juni 2013 in Bestätigung eines früheren provisorischen Befehls bekannt, dass ein Genfer Zivilgericht der Credit Suisse verboten hat, Daten über einen Mitarbeiter den amerikanischen Behörden zu liefern (Art. 328b N2).

Datenschutz / Auskunftsrecht des Arbeitnehmers

Der Staatsrat des Kantons Wallis hat sich in einem Entscheid vom 5. Dezember 2012 zu den Grundlagen und Einschränkungen des Auskunftsrechts des Arbeitnehmers über ihn betreffende Daten beim Arbeitgeber geäussert. Die Einwohnergemeinde Zermatt versuchte erfolglos, einen von ihr selber für ihren Kündigungsentscheid massgeblich erklärten Untersuchungsbericht dem gekündigten Arbeitnehmer vorzuenthalten. Der dessen Auskunftsbegehren schützende Entscheid des Staatsrats stützte sich auf Art. 29 Abs. 2 BV sowie das kantonale Verwaltungsverfahrens- und Datenschutzrecht (Art. 328b N15).

Zeugnis

Kommt ein Arbeitgeber seiner Pflicht zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses nicht nach, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch nicht nur im zeitaufwendigen ordentlichen Verfahren, sondern unter Umständen auch einfacher und schneller im summarischen Verfahren durchsetzen (Art. 248 Abs. 1 lit. b ZPO, Rechtsschutz in klaren Fällen), wie ein neuer Entscheid des Audienzrichters am Bezirksgericht Zürich bestätigt. Der Entscheid äussert sich auch zur Frage, was für eine Ausstellungsfrist dem Arbeitgeber zur Verfügung steht, nachdem der Arbeitnehmer von ihm ein Zeugnis verlangt hat (Art. 330a N2 und N5). In einem anderen Urteil hat das Bundesgericht zu Fragen der Beweislast im Zeugnisprozess sowie zur Zeugnissprache Stellung genommen (Art. 330a N3c und N5c).

Kündigungsrecht / Checkliste

Das Aussprechen von arbeitsrechtlichen Kündigungen bereitet in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Die zu beobachtenden Probleme reichen von Formulierungs- und Formfragen über Tücken bei der Zustellung bis hin zur Frage, wer überhaupt bevollmächtigt ist, rechtsverbindliche Kündigungen auszusprechen. Fehler oder Verzögerungen können erhebliche und kostspielige Konsequenzen zur Folge haben. Eine neu zusammengestellte, ausführliche Checkliste soll helfen, solche Risiken zu vermeiden (Art. 335 N2). Checkliste Kündigung (PDF)

Missbräuchliche Kündigung

Das Bundesgericht hat die Missbräuchlichkeit der Entlassung eines 64-jährigen Agent d'exploitation mit gut 12 Dienstjahren, der rund ein Jahr vor seiner Pensionierung stand, bejaht. Im Unterschied zu früheren Fällen bejahte das Bundesgericht im vorliegenden Entscheid eine ausreichende Nähe zur mit Grundsatzentscheid BGE 132 III 115 (sog. Heizungsmonteurfall) begründeten Rechtsprechung (vgl. dazu S. 526 und S. 1005 ff. der Printfassung). Dies ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Einerseits insofern, als im Grundsatzentscheid des Heizungsmonteurs eine Anstellungsdauer von 44 klaglosen Dienstjahren zu beurteilen war, während es im vorliegenden Fall lediglich gut 12 Dienstjahre waren. Andererseits bezeichnete das Bundesgericht selber die Fallkonstellation im Heizungsmonteurfall als ausserordentlich, ja extrem ("exceptionnel, voire extrême"). Eine weiterführende Kommentierung dieses Entscheids findet sich in Art. 336 N4.

Fristlose Kündigung

Mehrere neue Urteile sind zu fristlosen Kündigungen ergangen. So war die Entlassung einer zu Unrecht des Rabattmissbrauchs beschuldigten Apothekenassistentin ebenso ungerechtfertigt wie die fristlose Kündigung einer Vertriebsmitarbeiterin/Assistentin, welcher Unkorrektheiten beim Pausenbezug und bei der Stempeluhrbenutzung vorgeworfen wurden. Gerechtfertigt war dagegen die fristlose Entlassung eines Küchenchefs einer Neuenburger Strafvollzugsanstalt, der zusammen mit einem Häftling beim heiteren Weintrinken in der Gefängnisküche erwischt worden war (Art. 337 N5 und N7).

Konkurrenzverbot

In einem Urteil vom 2. Mai 2013 bejahte das Bundesgericht einen begründeten Anlass zur Kündigung und damit den Wegfall des Konkurrenzverbots (vgl. Art. 340c Abs. 2 OR), als ein in der Finanz- und Versicherungsbranche angestellter Conseiller économique aus finanziellen Gründen kündigte. Seine Entschädigung bestand allein aus Provisionen, die sich auf monatlich nur rund Fr. 2000.-- beliefen und somit bei Weitem nicht das auf rund Fr. 3875.-- festgelegte, angemessene Entgelt im Sinne von Art. 349 Abs. 2 OR erreichten (Art. 340c N6).

Kollektives Arbeitsrecht / Zutrittsrecht von Gewerkschaftsfunktionären auf das Firmenareal des Arbeitgebers

Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung von Gewerkschaftsfunktionären wegen Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB). Diese hatten trotz ausgesprochenem Verbot das Parkplatzgelände eines Genfer Hotel- und Restaurantbetriebs betreten, um Angestellte zu informieren. Das Bundesgericht befand, dass Art. 28 BV Gewerkschaftsfunktionären kein Zutrittsrecht auf das Firmenareal des Arbeitgebers verleihe. Ebenso wenig liege im konkreten Fall ein aussergesetzlicher Rechtfertigungsgrund vor, z.B. jener der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Ein solcher könne nur restriktiv angenommen werden. Ausserdem fiel ins Gewicht, dass den Gewerkschaftsfunktionären mildere Mittel zur Verfügung standen, so das Ansprechen der Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Restaurant auf öffentlichem Grund, das Einfordern von Adresslisten beim Arbeitgeber, um mit den Angestellten per Post oder elektronisch Kontakt aufzunehmen, oder wenigstens das Abwarten einer verkehrsarmen Zeit, um die Kundschaft nicht zu behelligen (Art. 357a N7).

Arbeitsprozess /Parteientschädigung

Das Bundesgericht hat aufgezeigt, dass die in Art. 116 Abs. 1 ZPO statuierte Befugnis, wonach die Kantone "weitere Befreiungen von den Prozesskosten gewähren können", auch die Parteientschädigung umfasst. Die Kantone können damit vorsehen, dass z.B in bestimmten arbeitsrechtlichen Verfahren keine Parteientschädigungen zugesprochen werden. Obwohl dies ein massiver Einbruch in die bundesrechtliche Architektur der Kostenverteilung (Art. 105 ff. ZPO) darstellt und in manchen Fällen auch den Rechtszugang erschweren mag, überzeugt die entstehungsgeschichtliche Argumentation des Bundesgerichts (Artikel Arbeitsprozess, Kapitel 4.14 Parteientschädigung).

Newsletter/2013-06-14 (zuletzt geändert am 2013-10-21 18:03:05 durch MarcelHäfner)